Nach „Dumping?“ fragte die VPOD-Tagung – just einen Tag nach der Vorstellung einer möglichen Umsetzung der sogenannten Masseneinwanderungsinitiative der SVP durch die Nationalratskommission, zweieinhalb Monate nach dem Brexit und zweieinhalb Jahre nach dem verhängnisvollen 9. Februar 2014. Aus Sicht der meisten Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter ist das neue Paket zwar gegenüber einer buchstabengetreuen Initiativumsetzung vorzuziehen, aber das eigentliche Problem erfasst es nicht. Eine von der Tagung einstimmig verabschiedete Resolution des VPOD weist den Weg: Die Respektierung der Orts- und Branchenüblichkeit gehört in die Bundesverfassung; das Obligationenrecht muss gute Branchen-GAV fördern und den Schutz für Arbeitnehmervertretungen ausbauen. Für die Arbeit auf Abruf braucht es ebenfalls konkrete Massnahmen – etwa eine zwingende Entschädigung der Wartezeit.
Zentralsekretärin Beatriz Rosende und Generalsekretär Stefan Giger beleuchteten die Gestalt des heutigen Lohndumpings, das sich in unterschiedlichen Branchen unterschiedlich zeigt. Im öffentlichen Nahverkehr konnte die Gefahr durch überregionale GAV vielerorts gebannt werden; im Gesundheitswesen, wo die Zulassung von Privatspitälern auf Spitallisten einen brutalen Wettbewerb auf dem Buckel des Personals entfacht hat, steuert immerhin der Fachkräftemangel entgegen. Am dramatischsten stellt sich die Lage im Tessin dar, wie Nationalrätin Marina Carobbio übereinstimmend mit den Vertretern des VPOD Ticino aufzeigte. Unter dem Dumpingdruck von fast 10 Millionen Arbeitskräften aus der Lombardei haben sich an der südlichen Grenze teilweise mafiöse Strukturen festgesetzt.
Die Personenfreizügigkeit sieht der VPOD aber weiterhin als Errungenschaft; ein Rückfall in eine Kontingentwirtschaft à la Saisonnierstatut kommt nicht in Frage. Gegen Dumping, so sagten es mehrere Rednerinnen und Redner, lasse sich nur gemeinsam ankämpfen.
