09.11.2020 – von Elvira Wiegers
Während der 2. Welle nimmt der Druck auf das Gesundheitspersonal weiter zu und verschlechtern sich dessen Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz zunehmend. Personen in Quarantäne, mit dem Sars-COV-2 Virus infizierte Personen und Menschen, deren Testergebnis ausstehend ist, werden aktuell zur Arbeit aufgeboten.
Auch besonders gefährdete Personen sind zurzeit nicht speziell geschützt. Dabei wissen wir relativ wenig über die Langzeitschäden nach einer COVID-19-Erkrankung und noch weniger darüber, wie sich die Arbeitsbelastung und Schichtarbeit auf infizierte Personen auswirken. Wir wissen jedoch, dass das Risiko, besonders schwer zu erkranken, zunimmt mit der steigenden Anzahl Kontakte mit dem Virus. Der VPOD fordert seit der ersten Welle, den Gesundheitszustand des Gesundheitspersonals systematisch zu erfassen, zu monitoren und regelmässig darüber Bericht zu erstatten.
Die Verordnung über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus im Bereich des internationalen Personenverkehrs legitimiert Arbeitgeber, Personen in Quarantäne (nach einer Reise) zur Arbeit aufbieten zu können, während KantonsärztInnen berechtigt sind, weitere Abweichungen von den Quarantänebestimmungen zu genehmigen. Dabei orientieren sich Behörden und Arbeitgeber nach den Empfehlungen von Swissnoso, einer Vereinigung von leitenden Schweizer SpitalhygienikerInnen. Die Empfehlungen, etwa, dass infiziertes Personal zur Arbeit aufgeboten werden kann, gelten auch für die Langzeitpflege. Allerdings haben sich sowohl der Verband Spitex Schweiz als auch Curaviva, der nationale Verband im Bereich der Langzeitpflege und -betreuung, dezidiert gegen eine solche Praktik ausgesprochen.
Soziale Quarantäne
Wenn die Quarantäne in Bezug auf die Arbeit gelockert wird, jedoch im Privatleben weiter besteht, spricht man von sozialer Quarantäne. Diese Praxis verstösst gegen geltendes Arbeitsrecht, gefährdet die Gesundheit der PatientInnen, der MitarbeiterInnen ihrer KollegInnen und damit nicht zuletzt die Versorgungssicherheit; sie setzt die betroffenen MitarbeiterInnen einem ungeklärten Haftungsrisiko aus und verletzt den Schutz der Privatsphäre massiv.
Verletzung der Fürsorgepflicht
Infiziertes Personal aufzubieten, stellt eine grobe Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dar. Diese Personen haben während ihres Einsatzes Kontakt mit PatientInnen UND ArbeitskollegInnen. Die Verletzung des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmenden wird mit dem Argument des Personalmangels begründet. Tatsächlich hat der VPOD jedoch schon während der ersten Welle festgestellt, dass die Verletzungen fundamentaler Rechte und Aufhebung wichtiger Schutzbestimmungen zu vermeiden wären, wenn die Institutionen und Kantone konsequent zusammenarbeiten, das bestehende Gesundheitspersonal gezielt und koordiniert einsetzen sowie zusätzliches Personal einstellen würde.
Ist der Betrieb nicht in der Lage, die Gesundheit seines Personals hinreichend zu schützen (z.B. wegen fehlender oder schlechter Schutzausrüstung), darf dieses die Arbeit verweigern, bei entsprechend begründeter Mitteilung an den Arbeitgeber. Dies gilt in besonderem Masse für MitarbeiterInnen mit familiären Verpflichtungen. Der Arbeitgeber befindet sich im Annahmeverzug (Art. 324 OR), weshalb der Lohn weiterhin geschuldet ist. Ist das Unternehmen nicht in der Lage, die Schutzvorschriften einzuhalten, muss das zuständige Arbeitsinspektorat den Betrieb so lange wie nötig schliessen.
Die Grenzen des Weisungsrechts des Arbeitgebers
Arbeitgeber sind berechtigt bzw. verpflichtet, ihren MitarbeiterInnen im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Aufgaben Weisungen zu erteilen. Letztere müssen aber verhältnismässig und gesetzeskonform sein. So darf der Arbeitgeber im Notfall Überstunden anordnen, den Ort der Arbeitsausführung ändern oder andere Aufgaben zuweisen. Auf jeden Fall muss er aber die persönliche Situation der Arbeitnehmenden, insbesondere Familienpflichten, berücksichtigen und Mehrkosten (z.B. infolge einer Änderung des Arbeitsortes oder infolge der Annullation eines Urlaubs) übernehmen.
Wir empfehlen
Liegt der vorgenannte Sachverhalt vor (Covid-19-Infektion, Aufgebot des Arbeitgebers zur Arbeitsaufnahme), empfiehlt der VPOD den betreffenden MitarbeiterInnen, sich ärztlich krank schreiben zu lassen.
Wer sich bei der Arbeit angesteckt hat, bekommt die Kosten für Behandlung und den Erwerbsausfall im Falle einer medizinisch indizierten Quarantäne von der Unfallversicherung erstattet. Infektionskrankheiten, wozu auch COVID-19 zählt, gelten bei Gesundheitsfachpersonen als arbeitsbedingte Erkrankungen
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