Nein zum BVG-Bschiss!

Am 22. September stimmen wir über eine Revision der zweiten Säule ab. Schon die handwerklichen Mängel der Vorlage reichen für ein Nein; es gibt aber auch inhaltliche Gründe – denn die Reform produziert tatsächlich Verlierer. Und Verliererinnen.

Das wichtigste Anliegen der Befürworter ist die Senkung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes von heute 6,8 auf 6 Prozent – vor allem aufgrund der steigenden Lebenserwartung. Dieser Beschluss – er gilt nur fürs Obligatorium – hätte eine Rentenkürzung von 12 Prozent zur Folge.

Um das Ganze ein wenig abzufedern und im Wissen, dass eine nackte Leistungskürzung kein Volksmehr findet, hat das Parlament für die ersten 15 Jahrgänge nach Inkraftsetzung der Reform – d.h. für die 50- bis 65-Jährigen – abgestufte Rentenzuschläge definiert.

Einen solchen Zuschlag erhält, wer – unabhängig davon, ob obligatorisch oder überobligatorisch versichert – bei Pensionierung ein Altersguthaben von weniger als 441'000 Franken hat. Gemäss Schätzungen des BSV wird ein Viertel der Übergangsgeneration den vollen Rentenzuschlag erhalten, ein weiterer Viertel einen reduzierten. Die Hälfte der Versicherten geht leer aus.

Und wer bei der Inkraftsetzung noch nicht 50jährig ist, bekommt so oder so keinen Zuschlag mehr. Neben dem Mindestalter müssen noch weitere Bedingungen erfüllt sein, z.B. muss man mindestens 10 Jahre vor der Pensionierung ununterbrochen in der AHV versichert sein. Der Bundesrat wird in der Verordnung noch festlegen müssen, wie bei Einkäufen aus Scheidung, bei Kapitalbezug zur Finanzierung von Wohneigentum und bei mehreren Versicherungsverhältnissen etc. zu verfahren ist.

Als ob das nicht schon kompliziert genug wäre, hat das Parlament darüber hinaus auch alle BVG-Parameter auf den Kopf gestellt. Kein Stein blieb auf dem anderen:

Die Eintrittsschwelle definiert, ab welchem Lohn man BVG-versichert wird. Sie wurde leicht von 22'050 auf 19'845 Franken gesenkt, so dass inskünftig mehr Versicherte ins BVG kämen.

Der Koordinationsabzug (merke: AHV-Lohn minus Koordinationsabzug gleich versicherter Lohn) wird statt wie bisher fix neu in Prozenten des AHV-Lohns festgelegt. Und zwar mit 20 Prozent. Bei tiefen Löhnen führt dieser Wegfall eines unversicherten Sockels zu krassen Effekten: Wer einen AHV-Jahreslohn von 40'000 Franken erzielt, hat aktuell einen versicherten Lohn von 14'275 Franken. Neu wären es 32'000 Franken. Es ist nicht anzunehmen, dass Wenigverdienende darauf erpicht sind, doppelt-, drei- und viermal mehr in die Pensionskasse einzuzahlen. Aber genau das wäre die Folge.

Schliesslich sollen auch die Lohnbeitragssätze – gilt nur fürs Obligatorium – angepasst, d.h. über die Erwerbskarriere hinweg geglättet werden: Die Jungen sollen prozentual mehr, die Älteren weniger bezahlen. Das hehre Ziel dabei: eine Verbesserung der Chancen für die bisher zu «teuren» Älteren auf dem Arbeitsmarkt. Aber die Folgen im Einzelfall sind massiv: Ein 55-Jähriger, der die letzten drei Jahrzehnte nach bisherigem System einbezahlt hat, wird auf den letzten 10 Jahren der Berufstätigkeit plötzlich viel weniger einzahlen müssen als eigentlich angenommen. Das mag auf den ersten Blick sympathisch sein; es führt aber zu erheblichen Renteneinbussen.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat eine Tabelle publiziert, welche die Absurdität der Reform bestens illustriert: Die Frage, wer mehr, wer weniger einzahlen muss und wer eine höhere und wer eine tiefere Rente erhalten wird, ist abhängig von Alter, Lohnhöhe und Sparguthaben. Einen roten Faden sucht man aber vergebens. Entsprechend sagt ein Sprecher des BSV: «Wie sich die Reform genau auswirken würde, lässt sich nicht allgemein gültig feststellen.» (Sonntagsblick, 07.07.2024). Die Folgen für die einzelnen Versicherten sind kaum nachvollziehbar und letztlich willkürlich. Kombiniert werden höhere Beiträge mit höheren Renten, höhere Beiträge mit tieferen Renten, tiefere Beiträge mit tieferen Renten.

Politisch dumm…

Die Senkung der Eintrittsschwelle und die Änderung des Koordinationsabzuges führen dazu, dass Tieflöhner:innen vermehrt zu einer BVG-Versicherung und später zu einer PK-Rente kommen. Das wäre durchaus begrüssenswert, wäre da nicht ein grosser Haken: Zum einen müssten die Tieflöhner:innen gegenüber heute massiv mehr einzahlen, müssten dann aber bei der Pensionierung zusehen, wie die etwas höhere Rente wieder um den gleichen Betrag bei den Ergänzungsleistungen gekürzt wird. Das ist weder sozial noch effektiv, sondern schlicht doof.

…und fachlich nachgerade abstrus

Das Parlament hat eine miserable Arbeit geleistet. Die BVG-Reform ist fachlich so daneben, dass selbst die sonst so unpolitische Kammer der PK-Experten dagegen antritt. Der Vorwurf, die Gewerkschaften würden das BVG schlechtreden (um die AHV zu stärken), geht dagegen ins Leere, solange das Parlament solche abstrusen Vorlagen bringt. Diese schaden dem BVG viel mehr.

Die vorliegende Reform ist völlig falsch gestrickt, und sie bringt nichts ausser Chaos. Es gibt daher am 22. September nur eine Antwort: Nein!