2020 bleibt kämpferisch!

Von: Christine Flitner

2019 war das Jahr des Frauenstreiks, 2020 soll das Jahr der Umsetzung werden! Gleichstellungsfragen sind wieder in der Diskussion – vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber die politischen Vorschläge bleiben mutlos, und ihre Umsetzung geht zu langsam voran.

Die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst sollten eine Vorreiterrolle einnehmen. Sechs Monate nach dem 14.Juni sind einige konkrete Fortschritte zu verzeichnen - jedoch noch viel zu wenig!

Zum Beispiel die Frage von Elternurlaub und Betreuungsurlaub:

Vaterschaftsurlaub

Die Stadt Fribourg hat 30 Tage Vaterschaftsurlaub sowie einen Stillurlaub von 1 Monat, bezahlt zu 100%, beschlossen. Der Kanton Basel-Stadt erhöht den Vaterschaftsurlaub für seine Angestellten von 10 auf 20 Tage und der Kanton Vaud von 5 auf 20 Tage, mit einer schrittweisen Einführung bis 2022. Im privaten Sektor hat im November der Grossverteiler Aldi mit einer Werbekampagne angekündigt, dass er die Dauer des Vaterschaftsurlaubs in seinen Filialen von 2 auf 4 Wochen verdoppelt (bei 100% Lohn). Das nationale Parlament hat den Vaterschaftsurlaub dagegen halbiert und will 2 Wochen einführen statt der 4 Wochen, welche die entsprechende Initiative vorgeschlagen hatte. Und sogar dagegen hat ein bürgerliches Komitee noch das Referendum ergriffen, weil es den Vaterschaftsurlaub zu teuer findet.

Elternzeit

Die Hälfte der OECD-Länder sieht einen Mutterschafts- und Elternurlaub von 43 Wochen vor. Die Schweiz hinkt bei diesem Thema weit hinterher - das ist keine neue Erkenntnis. Der VPOD fordert schon seit vielen Jahren eine ausgebaute Elternzeit, zur Verbesserung der Vereinbarkeit und zum Wohl der Neugeborenen. In der Folge des Frauenstreiks wird zurzeit intensiv über eine Initiative zu diesem Thema diskutiert. Für uns stellt das Modell der Eidgenössischen Kommission für Familienfragen ein Minimum dar. Es fordert insgesamt 38 Wochen bezahlten Urlaub, nämlich 14 Wochen Mutterschaftsurlaub, 8 Wochen Vaterschaftsurlaub und 16 Wochen, die zwischen den Eltern aufgeteilt werden können. Die Finanzierung über die EO (welche auch den Militärdienst und den Mutterschaftsurlaub finanziert) ist tragbar, wie die Kommission detailliert vorgerechnet hat.

Betreuungsurlaub für schwer erkrankte Kinder

Das Parlament hat jetzt ein Gesetz verabschiedet, was die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Betreuung von kranken Angehörigen verbessern soll. Pflegende Angehörige setzen ca. 80 Millionen Arbeitsstunden pro Jahr auf, was einem Gegenwert von ungefähr 3.7 Milliarden Franken entspricht. Das verabschiedete Gesetz verursacht vergleichsweise bescheidene Kosten, nach Schätzungen maximal ca. 250 Millionen Franken. Die wichtigste Massnahme ist ein (zu 80%) bezahlter Urlaub von 14 Wochen für Eltern eines schwer erkrankten Kindes. Bisher gibt bei einer schweren Erkrankung eines Kindes meistens einer der Eltern, mehrheitlich die Mutter, ihre Arbeit auf. Die neue Regelung ist, wie es eine betroffenen Mutter ausdrückt, ein wichtiger Schritt, aber in dem meisten Fällen nicht ausreichend, weil die Krankheitsphase beispielsweise bei Leukämie 6 Monate und länger dauern kann. Es braucht daher weitergehende Lösungen.

Sonstige Betreuungsurlaube

Ergänzend zu diesem längeren Betreuungsurlaub hat das Parlament auch Regelungen für kurze Abwesenheiten wegen Krankheit von Kindern oder Angehörigen beschlossen: Betreuende Angehörige können pro Fall bis zu 3 Tagen, aber höchstens 10 Tage im Jahr Urlaub beziehen, um die Versorgung ihrer pflegebedürftigen Angehörigen (Kinder oder Erwachsene) zu organisieren. Die Bezahlung erfolgt durch die EO. Die neue Regelung hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack, denn sie bleibt teilweise hinter den bisherigen Bestimmungen zurück. Bisher garantierte das Gesetz für die Versorgung kranker Kinder 3 Tage pro Fall, ohne eine Höchstgrenze pro Jahr.

Und generell gehen die Regelung für betreuende Angehörige viel zu wenig weit. Erwerbstätige, welche ihre pflegebedürftigen Partner oder alten Eltern betreuen, brauchen deutlich umfassendere Lösungen: längere bezahlte Urlaube und/ oder die Möglichkeit zur vorübergehenden Pensumsreduktion. Wir bleiben dran!

Weitere Themen

Es gibt viele weitere Themen, wo aus kleinen Schritten noch grössere werden müssen: In Zürich wurden die Kindergartenlehrpersonen entsprechend unserer Forderungen neu in Lohnklasse 19 hochgestuft, – das muss jetzt auch noch für diejenigen gelten, welche ihre Ausbildung vor Einführung der PH-Ausbildung gemacht haben. Eine entsprechende Petition mit 8500 Unterschriften wurde Mitte Dezember an den Kanton übergeben. Viele Kantone, Gemeinden und öffentliche Unternehmen haben die Lohncharta des Bundes unterschrieben. Wir setzen uns dafür ein, dass es nicht nur bei Überprüfungen bleibt, sondern dass sie auch konkrete Massnahmen ergreifen. Im Gesundheitsbereich haben jetzt einige Spitäler – u.a. in Zürich und St. Gallen – mit uns Lösungen zur Bezahlung der Umkleidezeit erarbeitet. Andere zieren sich noch, obwohl die rechtliche Lage klar ist. Die Stadt Zürich hat darüber hinaus beschlossen, die Frage auch für andere Bereiche zu klären, wo Umkleiden Pflicht ist. Im Kita-Bereich ist jetzt endlich eine Diskussion über die unhaltbaren Zustände entflammt, welche durch die Unterfinanzierung und fehlenden Kontrollen entsteht. Unsere Petition ist weiterhin hochaktuell – wir bleiben dran!

Es geht weiter!

Der Frauenstreik hat neben der bezahlten Arbeit auch die unbezahlte Betreuungs-, Haus- und Erziehungsarbeit ins Visier genommen. Das ist ein wichtiger Schritt. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass diese Arbeit wertgeschätzt und aufgewertet wird. Das geschieht durch Urlaube, durch Verankerung in den Sozialversicherungen, aber auch durch einen Ausbau der öffentlichen Dienste – und nicht zuletzt durch eine generelle Reduktion der Arbeitszeit. Diese Debatte wird heute wieder von weiteren Kreisen aufgenommen, namentlich der Frauen und der Klimajugend: Weniger arbeiten um besser zu leben! Das soll auch am kommenden 8.März und am 15. Mai 2020 zum Thema werden.

Termine 2020: 8.März – 15. Mai – 14. Juni

Der 8. März ist 2020 ein Sonntag. Das gibt Gelegenheit die Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit sichtbar zu machen, die wir jeden Tag erledigen. Ob bezahlt oder unbezahlt – die Arbeit bleibt mehrheitlich Frauensache und beeinflusst unser Leben: Wir haben weniger Zeit, weniger Geld und niedrigere Renten. Nehmen wir uns also am 8.März Zeit, nehmen wir uns den öffentlichen Raum, um unsere Arbeit sichtbar zu machen und uns mit anderen Frauen in aller Welt zu solidarisieren.

Am 15. Mai rufen die Gewerkschaften zusammen mit der Klimajugend zu eine Streik- und Aktionstag auf. Und auch am 14. Juni 2020 wird es Aktionen zum Thema Gleichstellung geben. Wir bleiben dran!