Coronavirus: Appell an Pflegende, Berufsverbände, Politik und Bevölkerung

Von: Alain R. Müller / VPOD

Seit Tagen erreichen uns viele Nachrichten von Menschen aus den Gesundheitsberufen.Viele davon sind verärgert, manche sogar zynisch ob des jahrelangen Weghörens seitens der Politik und der Verwaltungen. Das verstehen wir.

©Roland Brunner

Wir hören aber auch andere Töne. Viele besinnen sich jetzt auf ihre Stärke und fordern andere KollegInnen in ihrer Branche auf für die eigenen Interessen einzutreten. Fordern die Politik auf, endlich zu handeln.

Das freut uns und gibt auch uns Mut. Wir kämpfen seit Jahren mit unseren Mitgliedern dafür, dass sich die Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich verbessern. Wir glauben, dass jetzt ALLE erkannt haben, wie systemrelevant diese Berufe sind und wie ungerecht es ist, dass sich das weder im Lohn noch in den Arbeitsbedingungen niederschlägt.

Wir arbeiten an einem Forderungs- und Massnahmenpaket, damit das Gesundheitspersonal (und damit meinen wir auch die Reinigung, Wäscherei, Wartung usw) auch nach der Coronavirus-Krise nicht wieder in Vergessenheit gerät. Wir bleiben dran. Ihr auch?
#StandByYourNurse #Wirkümmernuns

Wir öffentlichen hier einen Appell von Alain R. Müller, Dipl. Pflegefachmann HF

"Liebe Pflegende, liebe Berufsverbände, liebe Politikerinnen und Politiker, liebe Bevölkerung

Diplomierte Pflegefachleute wissen wie sie ihren Beruf auszuüben haben und sie wissen, was sie dazu brauchen. Sie haben das Pflegen fundiert gelernt und darum sind sie die Experten dafür. Keine andere Ausbildung kann das ersetzen.

Den Pflegenden aber wird seit Jahren, ohne Respekt davor, mit Sparmassnahmen und Geringschätzung dazwischen gepfuscht. Man scheint zu denken, dass man schon wisse was die Pflege brauche. Man denkt offenbar, dass man kein Pflegediplom nötig habe, um das einschätzen zu können. Man glaubt anscheinend, nicht auf Pflegefachleute hören zu müssen – wie anmassend.

Jahrelang wurde an der Infrastruktur gespart. Jahrelang wurde an den Stellen gespart. Und jetzt? Es gibt zu wenig Pflegende, zu wenig Ärzte, zu wenig Infrastruktur und die Ausrüstung geht viel zu schnell aus – jahrelang haben wir es gesagt.

Stattdessen: Geringe Wertschätzung bis hin zu Abwertung und Gewalt. Personalmangel, erhöhte Infektionsgefahren, körperliche Schäden, emotionale Belastungen, ein schäbiger Lohn und mehr gehören darum selbstverständlich zum Berufsbild.

Von uns wird jedoch eine ständige, unermüdlich hohe Professionalität, ein hohes Fachwissen und -können, Freundlichkeit, Dankbarkeit und vieles mehr gefordert. Wir sollen Verantwortung tragen, ohne jedoch die nötigen Kompetenzen dafür zu bekommen – weil wir ja nicht damit umgehen können – wie arrogant.

Darum, liebe Pflegende, sage ich:

Hör auf zu bitten! Hört auf servil zu sein! Hört auf euch zu bücken! Reflektiert euch auf eure berufsspezifischen Bedürfnisse und steht auf dafür! Für Euch, die Patientinnen und Patienten und die Bevölkerung!

Ihr müsst jetzt fordern! Es ist unser Berufsethos, der das spätestens jetzt und in Zukunft von uns fordert!

Darum stelle ich fest:

Es ist für uns Pflegende nicht die Lösung weiter unterwürfig, bittend oder schweigend zu bleiben. Würden wir das machen, würden wir in Kauf nehmen, unseren Kolleginnen und Kollegen, den Patientinnen und Patienten und schliesslich der ganzen Bevölkerung direkt zu schaden. Wir würden schaden, weil wir damit Fachfremde dazu einladen würden, uns weiterhin nicht zu hören, uns falsch zu verstehen und uns zu diktieren, wie wir zu funktionieren haben.

Wir und die Bevölkerung müssen jetzt einsehen, dass wir das Fundament des Gesundheitswesens und damit systemrelevant sind. Wir haben daraus eine unheimliche Macht und Verantwortung – ob wir das nun wollen oder nicht!

Es ist somit ethisch angezeigt und konstruktiv, aggressiv und energisch zu fordern. Für uns und in der Folge daraus für uns alle. Wir müssen fordern wie es im Gesundheitswesen zu sein hat und was wir dazu brauchen. Wir sind im Bewusstsein der Bevölkerung und diese steht hinter uns.

Darum sage ich weiter:

Es ist Zeit zu mobilisieren. Mobilisieren heisst sich einzusetzen und das heisst fordern. Mobilisieren heisst aber auch Widerstand und das heisst nein sagen und sich wo nötig zu verweigern.

Nein! Wir können das nicht einsparen! Nein! Das ist zu wenig Personal! Nein! Dieses Schichtmodell ist zu belastend, so arbeite ich nicht! Nein! Für diesen Lohn arbeite ich nicht!

Fordert genug Personal! Fordert genug Mittel! Fordert Lohn auf Bildungsniveau! Fordert gesetzliche Anerkennung des Berufsstandes und der Weiterbildungen!

Setzt euch ein! Für Euch und damit für alle!

Liebe Bevölkerung, liebe Politiker: Nehmt die Anliegen der Pflegenden ernst! Hört auf uns! Nehmt die Pflegeinitiative an!

Alain R. Müller"