Strike for future: Den 15. Mai neu denken

Von: Léa Ziegler

Der für den 15. Mai geplante Klimastreik kann nicht in geplanter Form stattfinden. Die Pandemie mag uns zwingen, unsere Mittel anzupassen – aber der Kampf für Umwelt und Nachhhaltigkeit bleibt so wichtig wie eh und je.

Das Coronavirus verändert alles. Auch der Streik- und Aktionstag, der für den 15. Mai vorgesehen war, muss überdacht werden. Das heisst aber nicht, dass der Termin aus dem Kalender zu streichen ist. Die Aktivistinnen und Aktivisten der Bewegung und tragende Organisationen wie die Klimagrossmütter und die Gewerkschaften haben vielmehr entschieden, den Klimastreiktag sozusagen neu zu erfinden. Da Demonstrationen und Versammlungen nicht möglich sein werden, wird es symbolische Aktionen auf den Balkonen und an den Fenstern geben – der Rest läuft im Internet. All das wird dem Klimatag seinen eigenen Charakter und Rhythmus geben. Die Diskussionen laufen.

Die Bewegung verbreitern

Seit Januar 2019 hat die Klimabewegung eine riesige Arbeit geleistet – teilweise zulasten der Schule, des Studiums, des Jobs. Sie haben alles in Bewegung gesetzt, um die Behörden dazu zu bewegen, endlich angemessene Massnahmen zur Eindämmung der Klimakrise zu ergreifen. Weil auf die Forderungen indes nur ungenügende oder gar keine Antworten kamen, haben die Aktivistinnen und Aktivisten beschlossen, Verbündete zu suchen. Sie haben sich an uns Gewerkschaften gewandt. Und wir haben entschieden, die Klimabewegung zu unterstützen und den Streiktag auch an den Arbeitsplätzen zu begehen.

An seinem Kongress im November 2019 hat der VPOD mit eindrücklicher Mehrheit entschieden, den Streik- und Aktionstag vom 15. Mai auch in seinem Organisationsgebiet zu organisieren. Auf den ersten Blick ist es nicht ganz einfach, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen mit der Verteidigung der Umwelt zu verknüpfen. Die allgemeinen Forderungen sind natürlich nie verkehrt: Ausbau des Service public, allgemeiner Zugang zu den Leistungen, Reduktion der Arbeitszeit, Verstärkung des ÖV, Wiederverstaatlichung privatisierter Angebote, nachhaltige Investitionen beispielsweise bei den Pensionskasse. Darüber hinaus war und ist aber auch eine spezifische Analyse nach Branchen notwendig – an einigen Orten im VPOD ist dazu bereits beachtliche Arbeit geleistet worden.

Virus und Klima hängen zusammen

Mit dem Auftauchen des neuartigen Coronavirus mussten Versammlungen und Arbeitsgruppen ausgesetzt werden. Der eigentliche Streik ist demnach auf unbestimmte Zeit verschoben. Trotzdem denkt auch der VPOD nicht daran, sich aus dem Kampf fürs Klima zurückzuziehen. Er wird seine Mitglieder mobilisieren und auf die Strasse bringen, sobald es die Lage wieder erlaubt.

Traurig genug: Der Zusammenhang zwischen dem Coronavirus und der Umweltkrise ist offenkundig. Indem sie die Ökosysteme zerstört, begünstigt die neoliberale Globalisierung die Ausbreitung von Epidemien. Gleichzeitig zerstückelt und zergliedert sie das öffentliche Gesundheitssystem, das allein einer solchen Herausforderung gewachsen ist. Ohne einen ökologischen Paradigmenwechsel werden wir zunehmend mit derartigen Katastrophen konfrontiert sein, seien es Krankheiten, Umweltereignisse oder die Verstärkung sozialer Ungleichheit.

Während Unternehmen und ihre Aktionärinnen und Aktionäre nach staatlicher Hilfe schreien, um ihre Verluste aufzufangen, werden die Lohnabhängigen zur Weiterarbeit gezwungen, auch in Bereichen, die nicht systemrelevant sind, und auch dort, wo die Hygiene- und Abstandsvorschriften nicht eingehalten werden (können).

Schluss mit der Sparpolitik

Diejenigen, die sich um die elementarsten Bedürfnisse der Menschen kümmern, müssen zusehen, wie ihre Rechte per Federstrich weggewischt werden. Sie leiden unter dem Mangel an Schutzmaterial, ihre Löhne sind nach wie vor gering, ihre Arbeitsbedingungen vielerorts unzumutbar. Andere haben keinen Zugang zu medizinischer Hilfe, zu Pflege und Betreuung. Sie verlieren das Dach überm Kopf oder ihr Recht auf Asyl. In der Isolation der Wohnungen kommt es vermehrt zu häuslicher Gewalt – und es fehlt an angemessenen Zufluchtsorten.

Es ist höchste Zeit, Menschlichkeit und Umwelt wieder ins Zentrum unserer Überlegungen zu rücken. Was in dieser Hinsicht nicht nachhaltig ist, hat keinen Platz mehr. Die von der neoliberalen Logik diktierte Spar- und Austeritätspolitik ist am Ende. Nutzen wir also den 15. Mai für die entschlossene und kreative Verbreitung dieser Botschaft. Und arbeiten wir dann, sobald die Situation es zulässt, neuerlich auf einen grossen Streik für Klima und Zukunft hin.