Geschlossene Hochschulen: Gefahren für Lehre und Forschung

Von: VPOD/ CF

Es war unumgänglich und richtig, den Präsenzunterricht an den Hochschulen und Universitäten wieder zu stoppen. Aber es braucht Gegenmassnahmen, um Lehre und Forschung vor langfristigen Schäden zu bewahren.

Der Grossteil des Lehr- und Forschungspersonals an Schweizer Hochschulen hat befristete Verträge. Foto: Eric Rosset

Der Beschluss des Bundesrates, alle Schweizer Universitäten ab Montag, 2. November 2020, wieder zu schliessen, war aus gesundheitlicher Sicht der einzig mögliche. Die VPOD-Mitglieder in den Bereichen Forschung und Lehre geben den Präsenzunterricht aber nur mit grossem Bedauern auf – denn er ist die einzige Art und Weise, eine echte Bildung zu gewährleisten, die diesen Namen verdient.

Fernunterricht ist nur die am wenigsten schlechte Lösung in einer Situation ist, in der es keine andere Möglichkeit gibt, eine Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden aufrechtzuerhalten. Daher: Sobald es die Bedingungen erlauben, müssen Studierende und Mitarbeitende wieder in die Seminarräume und Forschungsbereiche der Universitäten und Hochschulen kommen. Wie das Wissen wird auch und vielleicht vor allem die Hochschulbildung in den Räumen des sozialen zwischenmenschlichen Austauschs entwickelt.

Die abrupte Einstellung der Aktivitäten an den Universitäten seit März wird enorme Folgen haben, die bereits jetzt bemerkbar werden. Sie müssen vorausschauend angegangen werden, nicht nur innerhalb der Universitäten und Fachhochschulen, sondern auch von Seiten der politischen Behörden.

Der VPOD ist besorgt über die mittel- und langfristigen Folgen der wiederholten Schliessungen, insbesondere für die akademische und berufliche Zukunft von Kolleginnen und Kollegen mit prekären Verträgen, die 80% des Lehr- und Forschungspersonals an den Schweizer Universitäten ausmachen. Universitäten und Fachhochschulen müssen dringend und unverzüglich Verfahren einführen, um die Auswirkungen der Pandemie auf eine ganze Generation junger Forschender zu begrenzen, die auf brutale Weise von der Situation betroffen sind.

Für die Förderung des akademischen Nachwuchses braucht es zunächst ausserordentliche Vertragsverlängerungen - ohne Nachforschungen im Privatleben des Einzelnen oder Konkurrenzkriterien in Bezug auf Bedürftigkeit. Dann geht es darum, den prekären Forschungssektor - junge Forschende, aber auch prekär angestellte ältere - zu stabilisieren, wie dies in einer nationalen Petition gefordert wird (https://www.petition-academia.ch/de/start/ ). Schliesslich erfordert die Hilfe für die nächste Generation von Forschenden grundsätzliche Veränderungen im Konzept der öffentlich finanzierten Forschung, insbesondere durch die Beendigung der projektbasierten Finanzierung, die auf einem künstlichen Wettbewerb zwischen Einzelpersonen beruht. Dieser Wettbewerb wirkt sich sowohl auf die Lebensqualität der Forschenden als auch auf die Qualität der Forschung nachteilig aus. Wir alle wissen das, weil wir es jeden Tag erleben: Forschung und die Entwicklung von Wissen geschieht durch Zusammenarbeit, Diskussion und Austausch. Dieser Wettbewerb hat auch den perversen Effekt einer Abwertung der Lehre, was auch den Studierenden immer klarer bewusst wird, die von oftmals abwesenden Professoren und einem überforderten Mittelbau nur mangelhaft betreut werden.

Die aktuelle Pandemie ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass diese Veränderungen notwendig sind für die Beschäftigten an Universitäten und Fachhochschulen, für die Studierenden, deren Lernbedingungen sich ständig verschlechtern, und für die ganze Gesellschaft, deren Existenz und Wohlergehen auch vom medizinischen, technischen und gesellschaftlichen Wissen abhängt, welches an Universitäten und Fachhochschulen entwickelt wird.

Kurzfristig sind unsere bisherigen Forderungen weiterhin gültig. In der aktuellen Situation der erneuerten Schliessung von Bildungseinrichtungen steht Folgendes im Vordergrund:

  • Die Schweizer Hochschulen müssen einen wesentlichen Beitrag an die Zusatzkosten leisten, welche den Lehrenden durch den Fernunterricht im Homeoffice entstehen.
  • Alle befristeten Verträge müssen verlängert werden.
  • Die Hochschulen müssen einen echten und regelmässigen Austausch und nicht eine einseitige Kommunikation mit den Angestellten- und Studierendenorganisationen einrichten, um die Krise und ihre Auswirkungen bestmöglich zu bewältigen.
  • Sie müssen die akademische Freiheit im Lehr- und Prüfungsverfahren in Übereinstimmung mit den offiziellen Gesundheitsmassnahmen garantieren, ohne eine aufdringliche Überwachung der Studierenden zu befördern.

Die öffentlichen Hochschulen und Universitäten werden ihre Forschung und Lehre wie bisher mit Kompetenz und Konsequenz fortsetzen. Aber es wäre blind oder verlogen so zu tun, als ob das dank technischer "Wundermittel" einfach wäre.

Die Weiterführung des Lehr- und Forschungsauftrags der Universitäten und Fachhochschulen ist vor allem der Arbeit aller Mitarbeitenden zu verdanken, die keine Mühen scheuen und sich keine Gedanken darüber erlauben, welche Auswirkungen die Arbeitsüberlastung durch die Umstellung auf Fernunterricht auf ihre berufliche Zukunft hat.