Als Gewerkschaften reiben wir uns zusehends die Augen über die schamlose Selbstbedienungsmentalität der bürgerlichen Mehrheit im Parlament, das nach einer beispiellosen Krise nichts anderes zu tun hat, als reihenweise Steuerentlastungen für Firmen und Grossverdienende zu beschliessen. Seit Jahren findet eine Umverteilung von Arbeitnehmenden zu Vermögenden, Gutverdienenden und Unternehmer:innen statt, indem Steuern für Finanzplatz und Oberschicht gesenkt oder abgeschafft werden.
Arbeitnehmende, die einer Lohnarbeit nachgehen und brav und transparent ihre Steuern bezahlen, geraten dagegen zusehends unter Druck. Steigende Krankenkassenprämien und steigende Mieten belasten das Haushaltsbudget. Zwischen 2016 und 2022 stiegen die Löhne real nur um 0.2 Prozent pro Jahr, die Lohnentwicklung hinkt der Wirtschaft hinterher. Sinkende Pensionskassenrenten und AHV-Rente reichen für viele nicht mehr zum Leben. Und in der Corona-Pandemie haben die Arbeitnehmenden mit den tiefen und mittleren Löhnen am meisten Kaufkraft verloren, sie standen an der Front im Verkauf, im ÖV, in der Gesundheit.
Statt diese Probleme anzugehen, vergrössert die bürgerliche Mehrheit die Ungleichheit immer weiter. Nun sollen mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer Vermögende, die in Obligationen anlegen können, künftig keine Verrechnungssteuer mehr zahlen. Das öffnet Tür und Tor für Steuerhinterziehung. Wer hingegen ein Sparkonto mit einem bescheidenen Pölsterchen hat, bleibt weiterhin der Verrechnungssteuer unterstellt. Das Signal an die Arbeitnehmenden ist dabei klar: Pech hat, wer heute noch ehrlich Geld verdienen muss, geschaut wird schliesslich für die Privilegierten und Vermögenden.
Die Arbeitnehmenden bezahlen die Reform mehrfach: Erstens müssen sie auf ihrem Sparkonto weiterhin Verrechnungssteuer bezahlen. Zweitens bedeuten die Steuerausfälle, dass der öffentlichen Hand Geld für wichtige Aufgaben fehlen wird. Bundesrat Maurer spielt die Verluste herunter, wenn er bei der Verrechnungssteuer optimistisch von jährlichen Ausfällen von 172 Millionen Franken spricht. Nur im derzeitigen aussergewöhnlichen Tiefzinsumfeld wären diese so tief. Die Zinsen werden jedoch wieder steigen. Wahrscheinlich ist mittelfristig ein Zinsniveau von 3-4 Prozent, dann betragen die Ausfälle plötzlich 400-600 Millionen Franken und mehr. Wie hoch der zusätzliche Schaden durch die Nutzung der neuen Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung ausfallen wird, ist ohnehin kaum abzuschätzen.
Mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer würden der Bundeskasse hohe Einnahmen fehlen, die für den Ausbau der Kinderbetreuung, für Prämienverbilligungen, für Investitionen in den Service Public gebraucht werden. Und wir kennen ja die Geschichte bei Steuersenkungsvorlagen: die Ausfälle werden kleingeredet, aber dann werden in jedem Kostensenkungspaket die sinkenden Annahmen als Rechtfertigung genannt. Im schlimmsten Fall also führt dieses Steuergeschenk an die Reichen zu Spar- und Abbauprogrammen, mit denen der Staat seine Leistungen kürzt.
Eine solche hemmungslose Umverteilungspolitik von unten nach oben gilt es zu verhindern. Mit dem Referendum tragen wir dazu bei, dass die Interessen der Normalverdienenden, die hart arbeiten und ihre Steuern zahlen, politisch berücksichtigt werden. Respekt für alle Bürger:innen!
Deswegen ein lautes, gewerkschaftliches «Nein» zur Abschaffung der Verrechnungssteuer!
Natascha Wey
Stv. Generalsekretärin VPOD Schweiz
Jetzt Referendum unterzeichenen!
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13.01.2022 | Nein zur Abschaffung der Verrechnungssteuer | PDF (196.8 kB) |