Die 22-jährige Frau Mahsa Amini wurde am 13. September in Teheran auf der Strasse verhaftet. Weil eine Haarsträhne aus ihrem Kopftuch hervorragte, wurde ihr das «Tragen unangemessener Kleidung» vorgeworfen. Drei Tage später starb sie auf einer Polizeistation.
Der Tod von Mahsa Amini löste eine riesige Protestbewegung aus: Aus Trauer und Wut legten iranische Frauen ihre Kopftücher ab und schnitten sich die Haare kurz. Sie gingen zum Protestieren auf die Strasse und riskierten ihr eigenes Leben. Sie fordern das Recht, frei über ihren Körper zu verfügen, das Recht zu entscheiden, ob sie einen Schleier tragen wollen oder nicht, das Recht, sich so zu kleiden, wie sie es möchten, das Recht, sich im öffentlichen Raum frei zu bewegen, das Recht, ohne Angst zu leben.
Keine Freiheit im Patriarchat!
Auf der ganzen Welt protestieren nun aus Solidarität Menschen mit dem Kampfruf der kurdischen Feministinnen «Jin – jiyan – azadi!» («Frau – Leben –Freiheit!»). Auch in der Schweiz. Hierzulande ist dies der einzige Slogan, den alle Feministinnen kennen – ob in der Deutschschweiz, im Tessin, in der Romandie oder mit Migrationshintergrund. Diese drei Worte bringen es auf den Punkt: Es kann kein freies Volk geben, wenn die Hälfte der Bevölkerung unter dem Joch des Patriarchats steht. Die Frauen im Iran haben es satt, in Gefahr zu sein, nur weil sie Frauen sind. Sie haben es satt, ihr Leben wegen einer abstehenden Haarsträhne, eines zu kurzen Rocks oder eines Ex-Freundes zu riskieren, der die Trennung nicht verkraftet. Die Frauen im Iran wollen nicht länger die Folgen von Wirtschaftskrisen, Sparmassnahmen und Restrukturierungen ertragen. In erster Linie sind sie es, die das Embargo trifft, das seit fast 30 Jahren gegen den Iran besteht – während die Machthaber nach wie vor ein privilegiertes Leben führen.
Proteste lassen nicht nach
Der Kampf der iranischen Frauen für ihre Rechte, ihre Würde und ihre Freiheit wurde zum Kampf des ganzen Volkes: Männer schlossen sich sehr schnell dem Aufstand an. Der Sänger Shervin Ahjipour fasste den Schmerz seines Volkes in dem Lied «Baraye» («Für») zusammen, das sich innerhalb weniger Stunden im Internet ausbreitete und auf allen Demonstrationen gespielt wurde. Der Sänger wurde verhaftet und inzwischen auf Kaution freigelassen.
Den Widerstand des Volkes beantwortet das Regime mit Repressionen. Bereits in der Vergangenheit wurden so mehrere Aufstände niedergeschlagen, insbesondere im Jahr 2009 nach der Wahl von Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten. Seit Beginn der aktuellen Widerstandsbewegung hat das Regime Hunderte von Verhaftungen vorgenommen. Die NGO «Iran Human Rights» (IHR) beklagt, dass seit dem 16. September bei den Protesten mindestens 185 Menschen von Sicherheitskräften getötet wurden. Laut Amnesty International sind unter diesen auch mindestens 23 Kinder (Stand 14. Oktober).
Dieses Mal wirken die Repressionen jedoch nicht, die Proteste lassen nicht nach, sie scheinen sogar noch zuzunehmen. In der Provinz Kurdistan, aus der Mahsa Amini stammt, kam es zu Massendemonstrationen. Im Südwesten des Landes streikten Arbeiter in der erdölverarbeitenden Industrie – in der Fabrik von Assalouyeh / Bushehr.
Solidarität mit den Kämpfenden, Aufnahme der Geflüchteten!
Der VPOD ist solidarisch mit den iranischen Frauen. Wir unterstützen den Kampf des ganzen iranischen Volkes um Leben und Freiheit. Wir verurteilen die Repressionen im Iran und fordern die Schweizer Behörden auf, grosszügig Asyl zu gewähren. Alle Menschen, die vor der Gewalt des iranischen Regimes fliehen, müssen aufgenommen werden.