2022 – Jahr der Krisen und Arbeitskämpfe

Von: VPOD Zentralsekretariat

Ein herausforderndes Jahr, bestimmt von weltweiten Krisen, steigender Inflation und einem Comeback der Gewerkschaften.

Preise rauf? Löhne rauf!

Die Inflation ist zurück. Manche profitieren davon: Wer in den letzten Jahren Schulden gemacht hat, sieht die nun wegschmelzen wie Schnee an der Frühlingssonne. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber verlieren auf der ganzen Linie.Unsere Kolleg:innen können mit ihrem Geld immer weniger kaufen. Und selbst wenn die Löhne für 2023 die Teuerung ausgleichen, was längst nicht überall der Fall ist: Diese Erhöhung kommt mit Verspätung, denn die Teuerung ist schon wieder davongelaufen, fast wie bei Hase und Igel. Auch die Rentnerinnen und Rentner müssen mitansehen, wie ihre Pensionskassenrente an Wert verliert. Immerhin ist bei der AHV ein sofortiger Ausgleich beschlossen worden. Die Teuerung liegt aktuell bei hohen 3% (Oktober 2022). Dazu kommt der starke Anstieg der Krankenkassenprämien von im Schnitt fast 7 Prozent. Die Energiepreise sind eine Blackbox.

In vielen VPOD-Regionen wurde in 2022 mobilisiert - für einen (automatischen) Teuerungsausgleich und höhere Löhne Und auch in 2023 wird es daher heissen: Preise rauf? Löhne rauf!

Fachkräftemangel quo vadis?

Gleichzeitig herrscht grosser Fachkräftemangel. Nach allen Lehren der Ökonomie müsste das zu ansteigenden Löhnen und einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen. Aber das Pflegepersonal, Fahrdienstmitarbeitende oder die Menschen in den Sozialberufen merken davon bisher wenig bis gar nicht. Im Gegenteil, unsere Kolleg:innen müssen weiterhin um jeden Rappen und jede kleine Verbesserung kämpfen. Mancherorts wird noch nicht mal ein ausreichender Teuerungsausgleich gewährt.

Steuersenkungen und Abbau

In den Kantonen werden schon wieder Steuern gesenkt - man scheint aus der Pandemie nichts gelernt zu haben. Dabei ist es doch klar: Mehr denn je braucht es einen handlungsfähigen Staat, der einen guten öffentlichen Service public garantieren kann. Auch und gerade in Krisenzeiten. Längere Zeit auf den Felgen zu fahren, ist keine gute Idee. Nicht für ein Fahrzeug. Und nicht für die Berufstätigen. Sie brauchen 2023 spürbare Verbesserungen: beim Lohn, aber auch bei der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit.

Unions on the rise!

Nichtsdestotrotz gibt es auch viel Positives: in unserer Gewerkschaft kommt Bewegung in den Sozialbereich, in den akademischen Mittelbau, bei den Lehrpersonen und es gibt erste Arbeitsniederlegungen im Gesundheitsbereich. Die Arbeitnehmer:innen im Service public haben genug. Es entstehen viele neue Gruppen, die Konflikte wagen und gewerkschaftlich kämpfen - befeuert auch durch ein Erstarken der internationalen Gewerkschaftsbewegung und Streikwellen in der ganzen Welt.

Unsere Prognose - 2023 bleibt kämpferisch!

Bildung und Wissenschaft

Volksschule
Der Lehrpersonenmangel auf der Volksschulstufe ist auf die Untätigkeit der Politik zurückzuführen. Die Anstellung von Laienlehrpersonen ist keine nachhaltige Lösung. Es braucht mehr Entlastung und genügend ausgebildetes Lehrpersonal. Dank unserem Einsatz soll der Lehrberuf wieder an Attraktivität gewinnen. Bereits wurden auf Gemeinde-, Kantons- und Bundesebene VPOD-Forderungen für bessere Arbeits- und Anstellungsbedingungen umgesetzt. So werden nach Jahren der juristischen und politischen Auseinandersetzung Kindergartenlehrpersonen im Kanton Zürich ab dem 1.1.2023 analog den Primarlehrpersonen in einer höhere Lohnklasse eingestuft. Ein Sieg für die Gleichstellung, den gesamten Berufsstand und den VPOD.

Hochschule
An der alle vier Jahre stattfindenden Verbandskonferenz Bildung Erziehung und Wissenschaft unter dem Titel «Unsere Stärken als Gewerkschaft - unsere Gewerkschaft stärken» haben VPOD-Lehrpersonen die Schwerpunkte für die gewerkschaftlichen Arbeit im Bildungsbereich gesetzt. Ein erstes Resultat zeigt sich im intensivierten Kampf der VPOD-Mitglieder gegen prekäre Anstellungen im akademischen Mittelbau. Mit der nationalen Kampagne «Stable Jobs – Better Science» sollen gewerkschaftliche Aktivitäten der Angestellten an Hochschulen gefördert werden. Mittlerweile wurden an mehreren Universitäten und Fachhochschulen Gruppen gegründet, Versammlungen abgehalten, Workshops durchgeführt und Forderungen formuliert. Die Resonanz der Angestellten ist überwältigend. Der Wille Verbesserungen zu erkämpfen motivierend. In einigen Hochschulen herrscht bereits reger Aktivismus, andere werden im Frühlingsemester 2023 folgen. Sei mit dabei, damit nach unseren ersten Erfolgen in diesem Jahr, auch nächstes Jahr viele weitere folgen.

Sozialbereich

Im Sozialbereich hat man in den Pandemiejahren eine bittere Erfahrung gemacht: Die Beschäftigten haben unter schwierigsten Bedingungen ihren Job gemacht und dafür gesorgt, dass die Schweiz sozial bleibt und dass diejenigen, die Unterstützung brauchen, sie auch erhalten. Dank? Mehr Lohn? Eine Prämie? Aufmerksamkeit? Fehlanzeige. So kann es nicht weitergehen. Unter dem Motto «Sichtbar unverzichtbar» ist an vielen Orten Bewegung in die Sache gekommen. Zum Beispiel bei den unmöglichen Arbeitszeiten in Einrichtungen des Sozialbereichs. Zum Beispiel in Basel, wo bei "Leben in Vielfalt" fast das gesamte Personal für bessere Arbeitsbedingungen unterschrieben hat. Oder in Zürich, wo der VPOD die Unterstützung des Stimmvolks gewann für eine bessere Ausstattung der Horte mit qualifiziertem Personal.

Nahverkehr - Für bessere Arbeitsbedingungen in Zukunftsbranche

Bus- und Tramfahrer:innen sorgen mit ihrer tagtäglichen Arbeit für den reibungslosen Ablauf unseres Alltags. Ein schöner, aber harter Beruf. Schlafstörungen, Muskelschmerzen, Erschöpfungssymptome und steigende Umfallzahlen: Die im Frühjahr beim Fahrpersonal durchgeführte Gesundheitsumfrage zeigt schockierende Ergebnisse. Lange und unregelmässige Arbeitszeiten, zunehmender Stress im Strassenverkehr, Druck durch dichte Fahrpläne - die Liste der Gründe für die beunruhigenden Umfrageresultate ist lang. Aber anstelle einer Entspannung der Lage verschärfen sich die Gesundheitsrisiken durch den immer stärker spürbaren Fachpersonalmangel in der Branche. Dazu kommen die seit Jahren stagnierenden Löhne.

Trotz politischem Gegenwind und dem Druck auf das Personal durch die Ausschreibungen von Linien im Nahverkehr - das Fahrpersonal hat durch sein gewerkschaftliches Engagement vielerorts den Teilausgleich des Kaufkraftverlustes erkämpft. Bei den Basler Verkehrs-Betrieben wurde nach jahrelangem Einsatz des Personals das Hören von Musik im Tram erlaubt. In diversen Betrieben kämpfte das Personal erfolgreich für angemessene Regelungen für den Bereitschaftsdienst und Verbesserungen der Zulagen für Nacht- und Sonntagsdienste.

Aber es bleibt einiges zu tun. Der Nahverkehr ist eine Zukunftsbranche, ein effektiver Klimaschutz ist nur mit einem soliden und gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr möglich. Und das geht nicht ohne ausreichend qualifiziertes, gesundes und gerecht entlöhntes Personal. Der VPOD Nahverkehr wird 2023 auf diese Thematik fokussieren und für Massnahmen kämpfen, um die Situation der Busfahrer:innen zu verbessern. Für bessere Löhne, faire Arbeitszeiten, weniger Stress.

Luftverkehr

Er schlug hohe Wellen: der Arbeitskampf bei Swissport. Monatelang kämpfen die Mitarbeitenden von Swissport Zürich um das, was ihnen zustand: ein Ende der Corona bedingten Krisenmassnahmen und die Wiedereinführung der Arbeitsbedingungen von vor der Krise, plus Teuerungsausgleich. Mit einem Protestbesuch im Sommer 2022 machten sie dem Management noch einmal klar: kein weiterführender Abbau am Zürcher Flughafen auf Kosten des Bodenpersonals. Es wurden ganze Abteilungen gewerkschaftlich organisiert, laut protestiert und am Verhandlungstisch gekämpft. Kurz vor Weihnachten dann die Nachricht: die internationale Führung von Swissport stimmt einem neuen GAV mit besseren Konditionen zu. Ein gewerkschaftlicher Sieg für die Kolleg:innen am Flughafen!

Der Erfolg von Swissport hatte Signalwirkung. In der Folge konnten wir sowohl bei Gate Gourmet als auch bei Cargologic in der Fracht die Mindestlöhne signifikant erhöhen. Doch nicht nur das, in sämtlichen Unternehmen, bei denen wir Vertragspartei im GAV sind, konnten wir im Minimum den vollen Teuerungsausgleich durchsetzen, oftmals kombiniert mit zusätzlichen Einmalzahlungen zur Abdämpfung der angefallenen Teuerung.

Für uns hat sich einmal mehr gezeigt, kämpfen lohnt sich. Und das gilt auch für das neue Jahr. Unser Ziel für den Flughafen lautet, einen branchenweiten Gesamtarbeitsvertrag zu erwirken. Darauf arbeiten wir hin, gemeinsam mit unseren Mitgliedern.

Gesundheitswesen: Berufsausstiege stoppen!

Trotz Annahme der Pflegeinitiative verlassen mehr als 300 Pflegende pro Monat den Beruf. Das heizt die Versorgungskrise im Gesundheitswesen weiter an. In der Langzeitpflege steigt der Bedarf an Alters- und Langzeitpflege bis 2040 um 56 Prozent. Um diese Pflege zu erbringen braucht es entsprechend mehr Personal. In den Spitälern verhält sich die Situation genau gleich prekär: Offene Stellen und geschlossene Betten sind an der Tagesordnung. Gleichzeitig schieben sich Politik und Wirtschaft seit Jahren die Verantwortung zu und weigern sie sich, den ersten Schritt zu tun, um die bedenkliche Schieflage zu beheben. Der einzige Weg, nachhaltige Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und Löhne durchzusetzen, führt über das Aufbauen von Druck direkt vor Ort in den Betrieben. In Basel, Luzern, Genf und Lausanne - überall vergrössern und verstärken sich unsere betrieblichen Gruppen. Die Angestellten im Gesundheitswesen organisieren sich - zu einer ersten Arbeitsniederlegung kam es bereits bei den Fachangestellten Gesundheit in Genf.

Weitere Kampagnen in 2023!

Auf zum feministischen Streik in 2023!

Die neusten Zahlen der BFS-Lohnstrukturerhebung zeigen: auch 2020 sind wir noch weit von der Lohngleichheit entfernt. Die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern hat sich zwischen 2018 und 2020 kaum verbessert und die Lohndiskriminierung ist sogar gestiegen, insbesondere im öffentlichen Sektor. Unsere Kolleg:innen im Service public fordern was ihnen zusteht: Lohngleichheit, Gesundheits- und Kündigungsschutz bei Schwangerschaft und Mutterschaft, faire Löhne für die Arbeit, die sie leisten. Auch deshalb organisieren wir uns betrieblich, zum 14. Juni und darüber hinaus.

Organisiert euch!
Gerade in diesen schwierigen Zeiten braucht es Zusammenhalt und aktive Gewerkschaftsarbeit. Wir müssen Druck aufbauen, um unsere Ziele zu erreichen! Sag es deinen Kolleg:innen, organisiert euch mit uns am Arbeitsplatz!