Eindrückliche Beispiele dafür sind der bis heute nicht aufgearbeitete Skandal des fehlenden Schutzmaterials wie auch die fehlende Koordination und Kooperation zwischen den Gesundheitsinstitutionen.
Die wichtigsten Personalverbände und Gewerkschaften haben sich nun in einem Bündnis Gesundheit zusammen getan um auf nationaler Ebene zu mobilisieren. Denn die bisher in den Kantonen bzw. in den Betrieben gestellten Forderungen genügen nicht oder stossen auf taube Ohren.
Wir fordern:
- eine Covid-Prämie für das Gesundheitspersonal
- mehr Anerkennung der physisch und psychisch belastendenTätigkeit und deshalb für höhere Löhne
- eine volle Rente mit 60 und für ein Nein zur Erhöhung des Rentenalters für Frauen
- eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben
- genügend sowie gut ausgebildetes Personal und damit auchfür die Pflegeinitiative
Mangelnde Anerkennung der Leistung und des Gesundheitsrisikos
Seit Ausbruch der ersten Covid-19-Welle fordert der VPOD, den Gesundheitszustand des Gesundheitspersonals systematisch zu erfassen und regelmässig darüber zu berichten. Erfahrungen aus diversen Ländern haben gezeigt, dass Menschen, die besonders stark dem COVID-19-Virus ausgesetzt waren, sehr schwer erkranken können. Gleichzeitig manifestierte sich während der ersten Covid-19-Welle der unglaubliche Skandal von fehlendem bzw. unzureichendem Schutzmaterial für das Gesundheitspersonal. Auch dauerte es lange, bis halbwegs akzeptable Arbeitsplatz-Lösungen für gefährdete Personen umgesetzt wurden. Für schwangere Frauen galt dieser besondere Schutz während der ersten Covid-19-Welle übrigens nicht! Angestellte aus dem Gesundheitspersonal gerieten teilweise massiv unter Druck, wenn sie die Missstände beim Namen nannten.
In Frankreich, Italien, Spanien, Quebec, Deutschland, im Vereinigten Königreich usw. wurden dem Gesundheitspersonal nun ausserordentliche Prämien oder Boni für die extremen physischen und psychischen Belastungen und Gesundheitsrisiken gewährt.
Und auch die SUVA sagt: Ja, bei Coronavirus handelt es sich um eine Berufskrankheit. In der beruflichen Tätigkeit im Gesundheitsbereich besteht ein viel höheres Risiko, an Covid-19 zu erkranken als beim Rest der Bevölkerung.
Aber Arbeitgeber und die kantonalen Behörden des Gesundheitsbereichs in der Schweiz stellen sich für diese Forderungen taub. Die einzigen Ausnahmen sind eine kleine Gruppe von Alters- und Pflegeheimen, die Regierung des Kantons Freiburg sowie eine oder zwei soziale Institutionen.
Aber es kommt noch schlimmer: Für 2020 haben die Finanzchefs aufgrund der Pandemie bereits grosse Defizite und neue Sparmassnahmen zulasten des Personals angekündigt.
Gesundheitsschutz ist Menschenrecht
Auch Amnesty International hat die Arbeitsbedingungen des Gesundheitspersonals beobachtet und ist beunruhigt. Ein Amnesty-Bericht zeigt auf, dass weltweit mindestens 3000 Beschäftigte im Gesundheitswesen weltweit ihren Einsatz gegen die Pandemie mit dem Leben bezahlt haben. In einem offenen Brief fordert Amnesty International den Bundesrat auf, eine unabhängige Untersuchung der Auswirkungen der Krise auf das Gesundheitspersonal zu veranlassen.
» https://www.amnesty.ch/de/themen/coronavirus/dok/2020/beschaeftigte-im-gesundheitswesen-in-gefahr
Fehlende Finanzierung der öffentlichen Spitäler
Der Dachverband «H+ Die Spitäler der Schweiz» hat dem Bundesrat ein Finanzierungsgesuch unterbreitet, zur Behebung des Einkommensausfalls, der mit der zweimonatigen Schliessung der Abteilungen verbunden ist, die nicht dringenden Dienstleistungen erbringen.
Der Bundesrat hat in diesem Zusammenhang deutlich daran erinnert, dass der Bund nicht plane, sich an den Einnahmeverlusten der Krankenhäuser und Kliniken zu beteiligen.
Zur Erinnerung: Öffentlichen Spitäler haben nicht einmal eine Finanzierung mittels Kurzarbeitsentschädigung erhalten. Dagegen konnten die Privatkliniken mit diesem Mittel ihre Lohnkosten reduzieren. Seit der vom KVG verlangten Einführung der neuen Spitalfinanzierung üben wir Kritik an diesem System, denn es trägt zur Kommerzialisierung des Spitalwesens, zur Schliessung öffentlicher Spitäler und gleichzeitig zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bei. Die Pandemie, die wir gerade durchmachen, wird diesen Prozess noch beschleunigen: eine folgenschwere Inkohärenz.
Seit Jahren verlangen die gewerkschaftlichen Organisationen einen Paradigmenwechsel: eine Finanzierung der Spitäler gemäss den Bedürfnissen der Bevölkerung. Die Wirtschaftlichkeit darf kein Finanzierungskriterium sein. Seit der Einführung der neuen Spitalfinanzierung sind die Krankenkassenprämien weiterhin gestiegen sind und gleichzeitig haben sich die Arbeitsbedingungen massiv verschlechtert.
Schlechte Arbeitsbedingungen und der daraus resultierende Pflegenotstand
Eine bedenklich hohe Berufsausstiegsquote von fast 50 Prozent und eine sehr tiefe durchschnittliche Verweildauer im Beruf: beides trägt zum teilweise dramatischen Personalmangel im Gesundheitsbereich bei. Immer stärker verdichtete Arbeitsabläufe und eine zunehmende Bürokratisierung prägen schon lange den Berufsalltag. Die Pflegenden verbringen immer mehr Zeit am Computer statt das zu tun, wofür sie ausgebildet wurden: Menschen heilen und versorgen.
Schon lange ist klar: Wir steuern direkt auf einen Pflegenotstand zu! Unsere Lebenserwartung steigt und damit auch der Bedarf an Pflege. Denn der Anteil an chronisch und mehrfach erkrankten Menschen wird stark zunehmen. Bis zum Jahr 2030 werden zusätzlich 65'000 Pflegende benötigt! Aber seit Jahren bilden wir nicht mal die Hälfte des jährlichen Bedarfs an diplomierten Pflegefachpersonen ausgebildet und die Ausgebildeten verlassen den Beruf. Diesem Missstand will die Pflegeinitiative entgegenwirken. Sie fordert eine Ausbildungsoffensive, damit die Zahl der Berufseinsteiger/-innen rasch steigt. Es braucht genügend gut ausgebildete Pflegende pro Station, sie sollen es ermöglichen eine verlässliche und sichere Pflege zu garantieren. Die Pflegenden müssen genügend Zeit für ihre Patienten haben und können dank besserer Arbeitsbedingungen lange motiviert im Beruf bleiben. Das sind entscheidende Faktoren für eine unverzichtbare Berufsgruppe der Grundversorgung!
Die Frauen* im Zentrum von COVID
Die Pandemie hat die Tatsache deutlich gemacht, dass Frauen einen großen Teil des Personals an vorderster Front ausmachen, insbesondere im Gesundheitssektor. In unseren Gesellschaften wird die Arbeit der Fürsorge und Pflege seit Jahrhunderten den Frauen zugewiesen. Innerhalb des Familienkreises nehmen sie diese Aufgaben weiterhin unentgeltlich wahr, oft bei gleichzeitiger beruflicher Tätigkeit. Als sich die Pflegearbeit mit dem Entstehen von Hospizen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen professionalisierte, blieben Frauen weiterhin die wichtigsten Leistungserbringerinnen, aber sie mussten um die Anerkennung als Fachkräfte kämpfen. Heute sind - je nach Beruf - noch immer drei Viertel oder mehr des Gesundheitspersonals Frauen. Wie der Feministische Streik vom 14. Juni 2019 anprangerte, sind die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen jedoch nach wie vor enorm: Es gibt eine Diskriminierung allein aufgrund des Geschlechts, aber auch eine Diskriminierung von Berufen, die überwiegend und historisch bedingt weiblich sind, die systematisch schlechter bezahlt werden als Männerberufe. Niedrige Löhne im Gesundheitssektor, der eklatante Ressourcenmangel, die Verweigerung von Bonuszahlungen an das Gesundheitspersonal sind ebenfalls eine Folge dieser Ungleichheit.
Weiter Opfer der Pandemie: BewohnerInnen von Alter- und Pflegeheimen
Wie auch wir als VPOD machten Ärzte auf «einen (chronischen) Personalmangel mit unterbesetzten Planstellen und auf den Mangel an Schutzmaterial» in Alters-und Pflegeheimen aufmerksam. Sie haben einen Aufruf an die Gesundheitsbehörden gestartet, um die «strukturellen Probleme» im Bereich des Langzeitpflege offe zu legen.
Alarmiert durch die Zahl der Todesfälle und die Verschlechterung der Lebensbedingungen der BewohnerInnen der Alters- und Pflegeheime schlugen sie Massnahmen vor, um für die HeimbewohnerInnen «sichere und menschenwürdige Umgebungen zu schaffen, damit auch in einer Pandemiesituation die Leben, die geschützt werden sollen, von den Betroffenen als lebenswert erfahren werden».
» https://saez.ch/article/doi/bms.2020.19037