Förderung der Wasserkraft oder eine CO2-Steuer mit TiSA nicht mehr möglich
Die Schweiz hat zwar den Energiesektor auf die Schweizer Ausnahmeliste gesetzt. Der TiSA-Anhang zur Energie wird aber trotzdem direkt auf die Schweiz anwendbar sein. Dieser "Annex on Energy and Mining Related Services" schreibt Gleichbehandlung vor. Erneuerbare Energie und nicht-erneuerbare Energie muss gleich behandelt werden, ebenso muss ausländische gleich wie inländische Behandelt werden:
This Annex shall apply to measures adopted or maintained by a Party affecting trade in energy and mining related services irrespective of the energy source or mineral, technology used, whether the energy source is renewable or non-renewable, and whether the service is provided onshore or offshore.
Immerhin entnehmen wir den Verhandlungstexten, dass die Europäische Union keine zwangsweise Gleichbehandlung der Atomenergie will:
[EU/IS propose: AU oppose: This Annex shall not apply to measures adopted or maintained by a Party affecting trade in services related to nuclear energy.]
Wenn also die Schweiz beispielsweise die Wasserkraft fördern wollte, so diskriminiert sie dadurch müssen Energieträger wie Kohle oder Erdöl. Eine deutsche Energiefirma mit Kohlkraftwerken könnte mit TiSA eine Klage gegen die Schweiz anstrengen:
- Eine Förderung der Stromproduktion aus Wasserkraft bedeutet eine Diskriminierung der Stromproduktion aus Kohlekraftwerken.
- Die Diskriminierung der Kohlekraft ist nur gegen ausländische Energieanbieter gerichtet, weil es in der Schweiz gar keine Kohlekraftwerke gibt. Also ist diese Diskriminierung eine Verletzung des "National Treatment", denn nur ausländische Konzerne werden benachteiligt.
- Gemäss TiSA-Annex muss Gleichbehandlung gewährt werden. Wenn also Wasserkraft gefördert wird, muss auch Kohlekraft gefördert werden.
Wenn die Schweiz eine CO2-Steuer einführen möchte, so würden Konzerne mit Kohle-, Gas- oder Ölkraftwerken genau gleich argumentieren können:
- Eine CO2-Steuer trifft nur ausländische Konzerne, denn in der Schweiz gibt es keine derartigen Kraftwerke.
- Eine CO2-Steuer verletzt also das "National Treatment" (Inländerbehandlung für ausländische Konzerne).
- Da es noch keine CO2-Steuer gibt, darf diese wegen der "Standstill"-Klausel nicht eingeführt werden. Standstill verbietet es, neue Regeln zu schaffen, welche einen ausländischen Konzern benachteiligen würde.
Freie Fahrt für Giga-Liner?
Die Schweizer Stimmberechtigten haben mehrfach bekräftigt, dass der alpenquerende Güterverkehr auf die Schiene gehört. Damit könnte bald Schluss sein, wenn TISA in Kraft gesetzt würde.
Die Dokumente der TISA-Verhandlungen (Stand November 2016) zeigen: TISA gefährdet das Konzept des kombinierten Verkehrs. Die Türkei will Massnahmen verbieten, welche Güter auf die Schiene zwingen, wenn es auch eine Strasse hat:
Article 5.2
[TR propose; AU/CA/US/PA/MU/CL/MX considering:No Party may adopt or maintain and discriminatory measure that:
a) requires combined transport [where relevant road transport infrastructure is available], or;
b)prevents a service supplier from selecting among commercially available combined transport operators.]
Auf der Basis dieser Bestimmmung würden die Lenkungsmassnahmen, welche die Güter auf die Schiene bringen sollen, verboten. Dazu gehören beispielsweise das Nachtfahrverbot und Sonntagsfahrverbot für LKW, die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LSVA oder das Verbot der Gigaliner (Gigaliner sind bis 25 Meter lang, in der Schweiz sind bisher nur 18 Meter Länge erlaubt).
Die Standstill- und Ratchet-Klauseln des TISA-Vertrages könnten bewirken, dass die LSVA nur noch abgebaut, aber nie mehr erhöht werden dürfte.
Dieser Verhandlungsvorschlag würde wohl das Ende der Verlagerungspolitik bedeuten. Natürlich wissen wir nicht, ob dieser Annex bei Verhandlungsschluss noch bestehen wird – aber beunruhigend bleibt, dass gemäss den geleakten Dokumenten die Schweiz nicht einmal Widerstand gegen diesen Vorschlag erhoben hat.